Vor einem Jahr haben Raphael Drager und Thomas Schmidt die Freien Lastenradler initiiert. Über die Crowdfunding-Plattform Startnext haben sie über 10.000 Euro gesammelt. Und seit dem 5. November heißt es in München endlich: freie Lastenräder für alle Münchner*innen.
Über die Webseite der Freien Lastenradler kannst Du die Räder kostenlos buchen. Das Projekt sorgt für Begeisterungsstürme. In Hamburg und Berlin haben sich bereits Ableger gegründet. Anlass genug, dass wir uns die beiden für ein Interview geschnappt haben, um ein wenig über das aufregende, letzte Jahr zu sprechen.
Green City: Wer seid Ihr überhaupt?
Freie Lastenradler: Puh… ist immer schwierig, sich selbst zu beschreiben. Wie siehst Du uns denn?
Zwei super Typen (Raphi und Schmiddi), die mit viel Charme eine tolle Idee realisiert haben. Der eine hält mit norddeutscher Klarheit die Fäden zusammen. Der andere bringt das jugendliche Feuer ins Projekt. Gute Mischung. Oder?
Lassen wir so stehen!
Warum engagiert Ihr Euch ausgerechnet für Lastenräder?
Es gibt Momente im Leben, da kauft man sich ganz selbstverständlich ein Auto. Früher und auf dem Land war es der 18. Geburtstag. Heute ist es zum Beispiel die Geburt des zweiten Kindes, bei dem selbst der hartgesottene Radler doch noch auf ein Auto umsteigt. Weil es dann viel zu transportieren gibt und man dafür nun mal ein Auto braucht… Wirklich? In Dänemark und den Niederlanden sind Lastenräder sehr oft die Lösung. Da wollen wir hin. Hin zu einem München, in dem es weniger Autos gibt.
In welchem Moment hat Euer Projekt im letzten Jahr am meisten Spaß gemacht?
Als wir das erste freie Lastenrad von unserem Hersteller bekamen. Da wussten wir: Es war hart, aber wir hatten echt tolle Unterstützer. Jetzt haben wir es geschafft.
Crowdfunding ist oft kein Selbstläufer. Gabs mal Phasen, in denen Ihr verzweifelt seid?
Ja, die gab es. Aber so schnell wie sie kamen, waren sie auch schon wieder vorüber.
Und wie habt Ihr dieses Tal der Tränen überwunden?
Immer wieder – und oft aus unverhofften Richtungen – gab es Menschen, die uns einfach geholfen haben. Manchmal mit einer kleinen Geste, die uns aber sehr viel bedeutet hat und oftmals im genau richtigen Moment kam. Manchmal mit einer tollen Unterstützung, die das Signal setzte: „Das Crowdfunding-Projekt Freie Lastenradler kann es schaffen“.
Findet Euer Projekt Nachahmer? Wie legt man los, wenn man ein vergleichbares Angebot in anderen Städten aufziehen möchte? Was ist die größte Schwierigkeit?
Wir haben ja schon einigen Initiativen in anderen Städten geholfen. Einfach, in dem wir alle unsere Erfahrungen mit ihnen geteilt haben. Wichtiger Aspekt, um so ein Projekt erfolgreich umzusetzen: Ein, zwei Leute vor Ort müssen es wirklich wollen. Dann klappt es. Sind es zu viele, wird alles zerredet. Haben zu wenige Leute die richtige Energie, dann schläft es schon bald wieder ein.
Man sieht immer mehr Lastenräder auf Münchens Straßen. Aber da geht noch mehr, oder? Was ist zu tun?
Ja, wir werden in 2020 in München 40.000 Lastenräder haben. So viele, wie heute schon in Kopenhagen herumfahren. Von der Landeshauptstadt München gibt es ab April bis zu 1.000 Euro Zuschuss für Gewerbetreibende. Ein anderes Projekt mit großer Zukunft sind Gemeinschaftslastenräder, cargobike2share-Modelle genannt. Nicht immer braucht man ein Lastenrad, aber wenn man eins benötigt, dann sollte es direkt vor der Haustür stehen. Für solche Fälle ist ein cargobike2share ideal. Bei ihm werfen vier Nachbarn und Freunde jeweils 400 Euro in den Topf, ein Werbepartner aus der Umgebung gibt auch noch Geld und schon kann man gemeinsam ein Lastenrad nutzen.
Welche Rolle spielen Lastenräder 2050 in München?
Wir wollen ein München mit viel Leben und ohne Autos jetzt, nicht erst in 2050. Viele Münchner nutzen schon bald ein Lastenrad – das eigene Lastenrad oder geliehen von den Bekannten zwei Häuser weiter. Ein Leben ohne Auto ist so noch einfacher möglich und deswegen schaffen sich viele Menschen und Familien erst gar kein Auto an. Weil immer mehr Haushalte auf ein Auto verzichten, werden sich diese Menschen den Platz zurückholen. Sie werden einen Satz verwenden, den viele Autofahrer schon immer gesagt haben: „Das hier ist mein Platz!“. Und auf „Ihrem“ Platz werden die Menschen dann eine Bank stellen und einen Baum pflanzen – und so mit ihren Nachbarn ins Gespräch kommen und Teil einer Gemeinschaft sein. Das Leben kann so schön sein.
Jeder sollte mal Lastenrad gefahren sein, weil…?
… es Spaß bringt, die Kinder vorne immer Queen & King sind und es unheimlich praktisch ist, mit einem Lastenrad seinen Einkauf nach Hause zu bringen.
Euer Lieblingsrad in der Flotte der Freien Lastenradler? Warum?
Der Alois. Zweirädrig, elegant, dansk by nature.
Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!