Stadtbäche: oben München, unten Venedig

Eine schmale Straße, holprig, von alten, unförmigen Pflastersteinen bedeckt. Hohe graue Bordsteinkanten, lediglich die Kirche, die in ihrer steinernen Architektur an längst vergangene Zeiten erinnert, ist umsäumt von hohen Bäumen. Der Platz rund um die Pfarrkirche St. Anna im Herzen des Lehels ist ein kleiner Ruheort, eingezwängt inmitten der lebhaften Großstadt. Das Spannende ist jedoch nicht das deutlich Sichtbare, sondern das, was im Verborgenen passiert. Wer von dort aus weiter Richtung Prinzregentenstraße läuft, die Augen schließt und einen ruhigen Moment erwischt, der hört es irgendwann unter den Füßen leise gurgeln und plätschern. Man könnte sich nach Venedig träumen.

Venedig führt tatsächlich auf die richtige Fährte in Münchens Vergangenheit. Im 19. Jahrhundert erhielt München den Spitznamen „Klein-Venedig“. Die Altstadt war durchzogen von plätschernden Bächen, die alte Münchner Stadtmauer war eingerahmt von Wasser. Nach und nach hat dann die Bedeutung der Stadtbäche abgenommen. Mehr noch: Für die schnell wachsende Landeshauptstadt wurden sie zur Last. Es wurde mehr Platz benötigt, mehr und mehr Wohnungen sollten gebaut werden. Stadtbäche mussten weichen. Spätestens mit dem Bau der U-Bahn in den 1960er-Jahren wurden die meisten Bachläufe zugeschüttet.

Zwischen Sendlinger Tor und Stachus könnte bald wieder ein Stadtbach fließen

Schon damals formierte sich schnell Widerstand: In den 1970ern protestierten viele Münchner*innen, die ihre Bäche wiederhaben wollten. Zahlreiche Bürger*innen und Initiativen haben damals mehrere Anläufe genommen, Betondeckel wieder aufzureißen. Heute kämpfen wir mit Green City darum, die Münchner Stadtbäche wieder an die Oberfläche zu holen: Ein Bächenetzwerk, 175 Kilometer lang, erstreckt sich unter München. Auf manchen Kilometern könnten die Bäche auch heute noch an der Oberfläche gurgeln – das hat eine Machbarkeitsstudie ergeben, deren Ergebnis im Mai 2017 bekannt gegeben wurde: Zwischen Sendlinger Tor und Stachus, wo parkende Autos gerade jede Aufenthaltsqualität nehmen, könnte der Westliche Stadtgrabenbach wieder das Tageslicht erblicken.

Momentan fließt der Bach durch die Herzog-Wilhelm-Straße bis zur Joseph-Spital-Straße in etwa vier Metern Tiefe. Mithilfe von Pumpen und Turbinen, die der Bach selbst antreibt, könnte er nach oben geholt werden – damit wäre er nicht nur energieautark, sondern würde außerdem aktiv das Umgebungsklima verbessern. Denn die Stadtbäche verbreiten nicht nur einen Erholungseffekt und werten die Münchner Innenstadt auf, sie mildern durch ihre kühlende Wirkung außerdem die durch den Klimawandel zu erwartenden Hitzewellen ab.

Kleines Geheimnis: Wer vorsichtig den Kanaldeckel vor dem Kiosk am Sendlinger Tor anhebt, kann den unterirdischen Westlichen Stadtgrabenbach schon jetzt mit all seiner Wucht sprudeln sehen. Wir haben bereits eine Exkursion in den Münchner Untergrund gemacht. Wie schön wäre es wenn man sich an der Herzog-Wilhelm-Straße auf eine Parkbank setzen und dem Bach lauschen könnte – und dazu nicht wie bisher mit einem Klettergurt angeseilt erst zu ihm herabsteigen müsste!

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